Pressestimmen
Das Langnauer Orchester hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Am nächsten Sonntag gelangt eines der bekanntesten Klassik-Werke zur Aufführung. Wie ist so etwas möglich?
Mit dem Emmental assoziiert man Käse, üppige Kulinarik in Landgasthöfen und Jeremias Gotthelf. Aber nicht unbedingt Beethoven. Doch in Langnau, einem Hauptort des Emmentals mit rund 9000 Einwohnern, gibt es gegenwärtig einen Beethovenzyklus mit allen Sinfonien, der 2027, zum zweihundertsten Todestag des Komponisten, mit der Neunten enden wird. Bestritten wird das ambitionierte Projekt nicht von Gastorchestern, sondern vom Langnauer Orchester, einer Formation von hoch motivierten Laien.
Am Samstagabend lud das Langnauer Orchester zum Konzert und bot mit Solisten zusammen hochkarätige romantische Musik.
Robert Schumanns Konzertstück für vier Hörner und grosses Orchester F-Dur op. 86 entstand 1849 und wurde 1850 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Die vier Hornsolisten spielten dieses nicht in Einzelsätze getrennte, sondern durchkomponierte Werk mit dem gross besetzten Orchester durchaus wild und mild, entsprechend den Charakteren von Schumanns Phantasiegestalten Florestan und Eusebius, die er in der Musik verwob. Hans Stettler, Simone Lehmann, Stephan Osswald und Adrian Städeli «sangen» mit ihren Hörnern als Zugabe «Im Aargäu sy zwöi Liebi».
Von Clara Schumann erklangen die sechs Lieder op.13, welche Jeannine Nuspliger mit ihrer klaren, hellen Stimme vortrefflich sang. Textlich war sie gut zu verstehen, begleitete doch das nicht mehr ganz so gross besetz-
te Orchester sie feinfühlig. 1844 vertonte Clara Schumann diese Gedichte von Heinrich Heine, Emanuel Geibel und Friedrich Rückert in emotionale Lieder.
Romantischer Beethoven
Die vierte Symphonie in B-Dur von Ludwig van Beethoven musizierte das Orchester sehr differenziert und grandios unter der subtilen Leitung von Christoph Metzger. In ihr schlägt sich das Glücksgefühl des damals verliebten Beethovens nieder. Das Orchesterwerk ist insgesamt von freundlichem, hellem und idyllischem Gestus, obwohl sich dieser erst nach der
düster-geheimnisvollen Einleitung in b-Moll offenbart. Zur ersten öffentlichen Präsentation gelangte die abwechslungsreiche Musik am 15. November 1806 im Wiener Burgtheater. Robert Schumann bezeichnete sie als die romantischste aller Symphonien Beethovens. Das zahlreiche Publikum verdankte den dreiteiligen Musikgenuss mit grossem Applaus und verliess die Kirche erfüllt mit prächtiger Musik.
08.02.2024 :: Sylvia Ammann (sal)
Langnau: Das Langnauer Orchester bot am Samstag in der Kirche ein aussergewöhnliches Programm im Rahmen seines Beethoven-Zyklus. Die Leitung hatte der Dirigent Christoph Metzger.
Mauricio Kagel (1931?–?2008) schuf 1969 das Werk Ludwig van, mit der Absicht Musik aus der Vergangenheit auch als Musik der Gegenwart erfahrbar zu machen. Als Partitur dienen Fotografien aus einem mit Beethoven-Noten bekleisterten Musikzimmer mit lesbaren und unlesbaren Noten, schräg stehend, verwischt, in Falten eingeklemmt, um die Ecke nicht sichtbar und so fort – eine Collage. Jedes Orchestermitglied bekam eines dieser Notenblätter und durfte nur spielen was zu sehen war. Mauricio Kagel definierte Spielregeln, die das Orchester in seine eigene Form brachte, wie Christoph Metzger erklärte. Als ersten Satz musizierten alle ihr eigenes Blatt in solo-tutti Wechseln. In den Solo-Blöcken durften maximal zehn Leute spielen für höchstens zehn Sekunden. Der Dirigent zeigte mit dem ausgestreckten Taktstock die Solozeiten an und mit beiden Händen die Tutti.
Im zweiten und dritten Satz erklangen ausgewählte Sequenzen aus der Eroica, die asynchron musiziert oder eine fremde Stimme gespielt wurde. Tempo und Lautstärke gab Christoph Metzger vor, nicht aber die Einsätze. Mit Spannung erwartete das zahlreiche Publikum im vierten Satz jeweils, welche Instrumente übernehmen, wenn ein Musiker oder eine Musikerin ein Motiv aus Seite 39 von Maurizio Kagels Partitur erklingen liess. Das Ganze tönte fremd und war doch ein Miteinander-Musizieren, für die Ohren ein neuartiges Erlebnis.
Das Heroische
Die Symphonie Nr. 3 in Es-dur, genannt Eroica, 1803 von Ludwig van Beethoven komponiert, verlangt eine Vollbesetzung. Das Orchester spielte lebendig und wuchtig, liess aber auch melodiöse Motive einzelner Instrumente oder das tiefe Brummen der Bassgeigen durchklingen. Trauer- und Marschmusik war erkennbar, so wie der tänzerische ¾ Takt im dritten Satz. Die Pauke wurde nuanciert geschlagen und war im Dauereinsatz. Die heroische Musik wirkte gewaltig und begeisterte die Zuhörenden.
09.02.2023 :: Sylvia Ammann (sal)
Langnau: Das Langnauer Orchester konzertierte zusammen mit dem Pianisten Philippe Gaspoz. Auf dem Programm standen zwei unterschiedliche Werke – mit Gemeinsamkeiten.
In der Kirche Langnau wurden die 2. Sinfonie Beethovens und das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms aufgeführt. So unterschiedlich diese beiden Werke auch sein mögen – es handelt sich bei beiden um frühe Werke. Beethoven suchte sich von seinen grossen Vorbildern Haydn und Mozart zu lösen und selbstbewusst einen eigenen Weg zu gehen, Brahms seinerseits hatte den Mut gefasst, nach Beethoven Neues zu schaffen. Aber: Beide Werke stiessen bei ihren Erstaufführungen zumindest auf Unverständnis, Brahms musste sogar eine Niederlage einstecken, ein richtiges Fiasko. Aber beide Komponisten arbeiteten weiter.
Beethovens nächste Sinfonien, aber auch das 2. Klavierkonzert von Brahms, wurden grosse Erfolge – und stehen den heute aufgeführten Werken etwas in der Sonne. Nun: In Langnau fiel keines der frühen Werke durch, im Gegenteil. Christoph Metzger führte sein Orchester mit grossem Schwung in Beethovens «Zweite», arbeitete mit sehr viel Gestaltungsvermögen die sich immer weiter entwickelnden Motive mit vielen Klangschattierungen sehr schön heraus und zeigte damit, dass diese Sinfonie bereits sehr viele Elemente der Späteren vorwegnimmt.
Eintauchen in Brahms Welt
Eine ganz andere Welt ist das 1. Klavierkonzert Brahms´. Bisweilen schon etwas düster, geheimnisvoll, versuchte der junge Brahms eine neue Form des Klavierkonzerts zu schaffen. Ihm schwebte die Gleichwertigkeit von Solist und Orchester vor, es ging ihm nicht um vordergründige Brillanz, sondern um das Miteinander beim Verarbeiten der Motive. Und dieses Miteinander gelang Philippe Gaspoz und dem Langnauer Orchester hervorragend: Man spielte sich gegenseitig «den Ball» zu, ging aufeinander ein. Daneben gab Brahms dem Pianisten Philippe Gaspoz mehr als nur einmal Gelegenheit, seine grossen technischen Möglichkeiten, aber auch seine gediegene Musikalität unter Beweis zu stellen.
Für ihr herrliches Programm ernteten der Solist und das ausgezeichnet disponierte Langnauer Orchester mit seinem Dirigenten Christoph Metzger mächtigen Beifall – den der exzellente junge Pianist mit dem herrlichen Nocturne op. 48 Nr. 1 von Frédéric Chopin eindrücklich verdankte. Sehr zur Freude des Publikums.
23.06.2022 :: Heinz Rutschi (hrl)
Langnau: Am vergangenen Samstag schenkte das Langnauer Orchester dem Publikum einen genussvollen Musikabend in der Kirche. Dabei stand auch die Klarinette im Mittelpunkt.
Zur Aufführung kamen vier Werke von böhmischen Komponisten, kurz kommentiert vom Dirigenten Christoph Metzger oder vom Klarinettisten Wenzel Grund.
Johann Stamitz stammt wie der Solist Wenzel Grund aus Prag. Er wirkte später in Paris und Mannheim. Die Klarinette faszinierte ihn und er komponierte Musik für dieses damals neuartige Instrument. Das Klarinettenkonzert in B-dur ist voll spezieller Effekte wie Triller, rasante Läufe, kurze rasche Hüpfer, sich im Tempo steigernde Aufstiege, grosse Tonsprünge. Zu hören waren auch melodiöse Klänge, die anschwollen und verebbten und wellenbildende Töne, ausdrucksstark gespielt von Wenzel Grund.
Zu Ehren Beethovens
Zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven musizierte das Orchester die Symphonie Nr. 1 in C-dur. Beethoven war 29 Jahre alt, als er sie schrieb. 1800 wurde sie uraufgeführt als neue Symphonie für eine neue Epoche. Das Orchester spielte das imposante Werk gestaltungsstark. Sanfte Flötenmelodien waren schön zu hören. Kräftige Töne von Horn und Trompeten und Paukenschläge imponierten. Tonabbrüche und Pausen kamen effektvoll zur Geltung, ebenso fliessende und anschwellende Melodien.
Der Böhme Otmar Macha fühlte sich verbunden mit der Volksmusik, wendete aber auch moderne Kompositionstechniken an. Er komponierte unterschiedliche Werke, wie Symphonien, Oratorien, Filmmusik, wie Wenzel Grund ausführte. Seine Rhapsodie für Klarinette und Streicher erklang stimmungsvoll. Auf- und Abstiege wechselten mit fliessenden Passagen und wirbelnden Klängen, ausdrucksvoll gespielt vom Solisten. Erstaunlich, wie feine hohe Töne aus einer Klarinette klingen können. Am Ende des Stückes produzierten die Streicher einen gläsernen Klang, der die Ohren strapazierte, aber sehr effektvoll war.
Perlendes Quellwasser
Bedrich Smetana litt wie Beethoven an Schwerhörigkeit. Als er sein Stück die Moldau komponierte, war er bereits taub. Es verlangt ein volles Orchester und zusätzlich eine Harfe. Die Querflöten spielten perlendes Quellwasser zum Zupfen der Streicher. Oboen verstärkten den sprudelnden Bach. Die bekannte Melodie des dahinziehenden Flusses begleitete ein Triangel und verlieh ihm einen silbernen Klang. Waldjagd und Bauernhochzeit am Flussufer kamen zur Geltung. Geheimnisvoll klang der Nymphenreigen mit schwebenden Flötenklängen zu langgezogenen Tönen von Streichern und Bläsern. Der Fluss wirbelte über Stromschnellen und zog als breiter Strom an der Burg vorbei. Laute Bläserstösse verdeutlichten den Betrieb dort, der sich mit Cinellen und Pauke zum Orchester dazu noch steigerte. Am Schluss entschwand die Moldau leise fliessend von Prag weg.
Persönliche Interpretation
Willy Schnyder, welcher die eigenwilligen, gar zweifelnden Meditationsworte Ernst Eggimanns vertonte, interpretierte die Texte des Langnauer Lehrers und Dichters auf sehr persönliche geniale Weise. In seiner meditativen, tonal-modernen Musik setzte der Berner Jazz-Musiker und Komponist mit seinen Akzenten und Repetitionen Worte auf seine eigene Art um, lassen doch die Texte sehr vieles offen. Auch hier gelang dem Chor, dem Orchester, dem eindrücklich improvisierenden Saxophonisten John Voirol und dem anwesenden Komponisten (er hat am Piano begleitet), eine eindrückliche Interpretation, welche vom zahlreichen Publikum mit stehender Ovation verdankt wurde.
Am Sonntagmorgen war, eingebettet in die Liturgie des ökumenischen Gottesdienstes und auch anschliessend nochmals, Bachs Kantate 67 zu hören.
«Friede sei mit euch» aus der einen Arie ergab das Thema des Gottesdienstes. Es gibt keinen Weg zum Frieden – der Friede selbst ist der Weg, erinnerte Pfarreileiterin Gaby Bachmann an Mahatma Ghandis Aussage. Um zum Frieden zu kommen braucht es Vertrauen, dass der Andere auch Frieden will, führte Pfarrer Hermann Kocher aus. Die Streitenden müssen einander zuhören und verstehen, was beide Seiten brauchen, um ein friedliches Einvernehmen zu finden. Das bekannte Lied «Dona nobis pacem» erfüllte die Kirche mit grossem Klang, als alle Leute mitsangen oder mitspielten. Die Organistin Annette Unternährer-Gfeller begleitete sowohl den Chor als auch den Gesang der Gemeinde. Zum Ausgang spielte sie das Praeambulum supra «Von Gott will ich nicht lassen» von Johann Ludwig Krebs.
Botschaft mit Musik verstärkt
Johann Sebastian Bach führte seine Kantate 67 «Halt im Gedächtnis Jesu Christ» zum ersten Mal am 6. April 1724 auf. Christoph Metzger verriet einiges aus der musikalischen Trickkiste des Komponisten. Das Motiv der Auferstehung stellte er mit einer aufsteigenden Melodie in Achtelnoten dar. Beim Wort «Toten» baute Bach Kreuze ein, damit sich die Töne um einen Halbton verringern und etwas schräg klingen. Denn ohne die Kreuzigung gäbe es keine Auferstehung.
In der ersten Arie kommt das Furchtmotiv zum Ausdruck mit kleinen Pausen, die eine kurze Schreckatmung der Interpreten zur Folge haben. Im Rezitativ vertonte Bach die schreckliche Grösse der Feinde mit einem verminderten grossen Septimakkord. Für das Wort «Sieg» nutzte er eine grosse None, um die übermenschliche Tat Jesu zu zeigen. Die zweite Arie erklingt solistisch im Dreivierteltakt. Die Drei gilt als göttliche Zahl, die Dreieinigkeit symbolisierend. Der Chor hingegen singt vom Kampf im Leben im Viervierteltakt. Dadurch entsteht ein spannender Wechsel in der Musik zwischen Wildheit und Beruhigung.
Es geht um den Friedensfürsten
Der fulminante Eingangschor wurde von den Musizierenden schwungvoll dargeboten. Mit heller klarer Stimme sang der Tenor Jan-Martin Mächler die Arie der Auferstehung. Das tröstende Rezitativ erhielt von Beat Josts Bassstimme eine dunkle tragende Färbung. Der Chor sang den Freudenchoral «Erschienen ist der herrlich Tag» nach Bachs Version, nicht wie im Kirchengesangbuch. Das Rezitativ wurde vom Bassisten deutlich als Sprechgesang dargebracht. Die spannende zweite Arie startete lebendig gespielt vom Orchester und wurde sofort ruhig als Beat Jost mit dem Friedenszuspruch einfiel. Der Chor sang seine Passagen kämpferisch. Der Solobassist wiederholte viermal «Friede sei mit euch». Der Schlusschoral besang den Friedensfürsten Jesus Christus als unseren Helfer. Die gelungene Aufführung des Langnauer Orchesters und des Konzertchors Langnau gefiel dem Publikum.
Früher blieb der Beifall aus
Da sich das überaus zahlreiche Publikum mit grossem Beifall für das tolle Konzert bedankte, erhielt es eine Zugabe: den Donau-Walzer von Johann Strauss Sohn. Als dieser heute wohl bekannteste Walzer zum ersten Mal aufgeführt wurde, erntete er kaum Beifall, und Johann Strauss soll zu seinem Bruder Joseph gesagt haben: «Der Teufel soll diesen Walzer holen!» Wenn er wüsste...
Vergangenen Sonntagnachmittag gab das Langnauer Orchester in der Kirche Langnau unter dem Titel «Neoklassik» ein gut beachtetes Konzert.
Nun, wirklich aus der Klassischen Zeit stammten nur zwei Werke, nämlich Beethovens «Egmont-Ouvertüre» und Mozarts viertes Hornkonzert. Gerade Igor Strawinskys Concerto in D für Streichorchester hatte wohl höchstens vom Aufbau her klassische oder barocke Anstriche, die Tonsprache dagegen des 1946 entstandenen Werkes hat mit diesen Epochen wenig zu tun. Mit viel Engagement und Können stellte das Orchester dieses vor allem rhythmisch sehr spannungsgeladene Werk erstmals in Langnau vor. Viel näher an der Klassik stand natürlich Jean Français’ «Mozart new-look», liessen doch die hervorragende Kontrabassistin Daniela Giacobbo zusammen mit den Bläsern auf schelmisch-amüsante Weise die bekanntesten Partien aus «Don Giovanni» aufblitzen. Wie weit Joseph Haydn sich an Sergei Prokofjevs «Symphonie classique» hätte erfreuen können, ist ungewiss, aber trotzdem schuf der russische Komponist mit seiner ersten Symphonie ein charmantes, unterhaltsames, immer wieder gerne gehörtes Werk.
Klassische Werke als Höhepunkte
Die Höhepunkte des Abends aber waren dennoch die beiden wirklich klassischen Werke, vorerst die Beethoven-Ourvertüre, aber dann vor allem Mozarts viertes Hornkonzert. Glänzte in der Ouvertüre das Orchester als geschlossenes Ensemble, so war es im Konzert ein begeisternd aufspielender Hans Stettler, welcher das herrliche Konzert, trefflich begleitet vom Orchester, zu einem tiefen Erlebnis werden liess. Mit stehenden Ovationen dankte das Publikum dem Orchester und seinem engagierten, langjährigen Dirigenten, Christoph Metzger, für den lange nachklingenden Abend.
Arthur Honegger (1825 – 1955), der Schweizer Komponist, der Zeit seines Lebens in Frankreich lebte, gehörte zu den Avantgardisten seiner Zeit. Wie in «Pacific 231», wo die Musik eine Schnellzuglokomotive imitiert, schildert Honegger das Leben des israelischen Königs anschaulich mit Hirtenschalmeien, kriegerischen Trompeten, Märschen und Tänzen. Davids Psalmen liefern den Text für die Hymnen und Klagegesänge des Werks.
Vom einzigen Gott
Örs Kisfaludy, in Budapest geboren und 1961 in die Schweiz geflohen, bildete das Glanzlicht der Aufführung. Hochdramatisch erzählte der international bekannte Sprecher, der das Werk mit grossen Dirigenten wie Pierre Boulez aufgeführt hat, vom Aufstieg und Fall des Königs.
Hochdramatisch schlüpfte er in die Haut des Königs und ahmte etwa nach, wie David um seinen gefallenen Freund Jonathan trauerte. Dafür streckte er theatralisch die Hände zum Himmel und erhob laut seine klagende Stimme. Seine Schreie gingen durch Mark und Bein und erinnerten an Momente, in denen man selber mit dem Schicksal gehadert hat.
Die von Örs Kisfaludy meisterhaft vorgetragenen Rezitate liessen darüber hinaus etwas vom jüdischen Geist erahnen, der der Geschichte innewohnt. Im Unterschied zu ihren grossen Nachbarn, den Ägyptern und Babyloniern, die viele Götter hatten, betete das kleine israelische Hirtenvolk zu einem einzigen Gott, der alleine über Tod und Leben entschied und unsichtbar war. Diesem Glauben blieben die Juden bekanntlich trotz aller Widerstände durch all die Jahrhunderte treu.
Einheimische Kräfte
Für hervorragende Auftritte sorgten die beiden jungen Gesangssolistinnen Marie Lys, Sopran, und Madeleine Merz, Mezzosopran, und der Tenor Jan-Martin Mächler. Im Instrumentalensemble sassen vorwiegend Lehrpersonen der Musikschule Oberemmental und Bläserinnen und Bläser des Langnauer Orchesters, die unter der Leitung des Dirigenten Christoph Metzger die vielen Soli vorzüglich meisterten und mit sorgfältigem Spiel erfreuten. Ähnliches gibt es vom Chor zu berichten, der das Volk Israel darstellte. Am besten gefielen die von Frömmigkeit erfüllten Stücke und das Halleluja, das schwerelos und federleicht erklang wie die Quelle des ewigen Lebens.
Honeggers «Le Roi David» ist nach dem Verdi Requiem das zweite epochale Werk, das Christoph Metzger innerhalb eines Jahres in Langnau zur Aufführung brachte. Das zeigt, wie effizient dieser Musiker zu proben versteht. An den Konzerten selber scheint der Dirigent ganz auf die Kraft der Musik zu vertrauen. Auf diese Weise schafft er einen Raum, wo sich die Musik entfalten kann und die Herzen der Zuhörer berührt.
Am Wochenende führte der Konzertverein Langnau das Requiem von Guiseppe Verdi auf. Es war das erste Mal, dass dieses monumentale Werk in Langnau zur Aufführung kam.
Der Konzertchor und das Langnauer Orchester zeigten sich in der Kirche Langnau mit rund 110 Sängerinnen und Sängern und zirka 60 Musikerinnen und Musikern in grosser Besetzung. Als ausgezeichnete Solisten wirkten Svetlana Aksenova, Sopran, Judith Lüpold, Mezzosopran, Rolf Romei, Tenor, und Ulrich Simon Eggimann, Bass mit. Die Leitung der Aufführungen hatte wie üblich seit elf Jahren Christoph Metzger.
Guiseppe Verdi stellt in seinem Requiem die Todesangst des Menschen dar und seine Sehnsucht nach dem göttlichen Licht. Wirkungsvolle Steigerungen und Beschleunigungen, starke Kontraste, eindrückliche Chöre und Arien verleihen der Messe opernhafte Züge. Die Besetzung entspricht einem grossen Opernorches-ter mit vier Solisten (Sopran, Mezzosopran, Tenor, Bass) und vier- bis achtstimmigem Chor.
Angst und Schrecken
Die Aufführung von Verdis Requiem zog das Publikum von Anfang an in seinen Bann. Die Musik in ihrer kunstvollen Art und gewaltigen Eindrücklichkeit berührte unmittelbar. Sie begann quasi aus der Stille mit ganz leisen Tönen der Celli. Weitere Instrumente setzten sanft ein. Die am deutlichsten von den Fagotten zu hörende Musik stieg ab und verklang – sie erstarb.
Das «Dies irae» im Fortissimo mit lauten Paukenschlägen jagte den Zuhörern direkt Angst ein. Das Orchester schickte speiende Flammen in die Kirche hinaus. Trompetensignale ertönten nicht nur von vorne, sondern auch von hinten. Im Eingang der Kirche spielten die vier Ferntrompeter hinter verschlossener Türe. So entstand der Eindruck, von allen Seiten vom Schrecken des Gerichts umgeben zu sein. Plötzlich herrschte totenstille. Die Streichinstrumente setzten stockend und leise wieder ein und der Bass-Solist deklamierte «mors» – Tod dreimal nur als einzelnes Wort. «Dies irae» – Tag der Rache wurde vom Chor noch ein paar Mal in das Stück eingeworfen. Dadurch brannte sich dieses Motiv dem Publikum in Ohr und Gehirn ein.
Hoffnungsvolle Klänge
Das doppelchörige Loblied «Sanctus» erklang fröhlich und tänzerisch. Es steigerte sich in ein riesiges Fortissimo. Im «Lux aeterna» kamen viele feine hohe Töne vor als Symbol für das ewige Licht. Die Solostimmen von Mezzosopran und Tenor klangen hoffnungsvoll und tröstlich. Der Solo-Bass gab den Boden für die ewige Ruhe. Die Flöten machten mit schwebenden Tönen den Schluss.
Rezitierende Passagen im «Libera me» von Solo-Sopran und Chor brachten das angstvolle Zittern zum Ausdruck. Der Zorn Gottes erschien im Fortissimo in absteigenden Linien. «Dies irae» wurde von allen Chorstimmen laut und drängend wiederholt. Allein im Jammer landete der Solo-Bass in der Tiefe. Das Requiem schloss mit einem leisen, geheimnisvollen C-Dur-Akkord, der offen lässt, ob die Bitte nach Erlösung erfüllt wird.
Alle beteiligten Interpreten meisterten das anspruchsvolle Werk mit Bravour. Es gelang ihnen eindrücklich, den Text der Totenmesse mit ihrer Musik zum Ausdruck zu bringen. Die grandiose Aufführung wird in den Zuhörern noch lange nachklingen.
08.02.2018 :: Sylvia Ammann
Glanzvoll eröffnet wurde der Gottesdienst mit dem äusserst lebendig und spannend interpretierten Präludium c-moll BWV 564 Bachs durch die Organistin Annette Unternährer-Gfeller. Wies Annaliese Camenzind in ihrer Betrachtung darauf hin, dass in der heutigen Zeit bereits ein zweiter Rang als Niederlage gelte, so zeigte Hermann Kocher auf, wie streng es Bach im Text seiner Kantate mit dem Christsein meinte.
Im zweiten Teil folgte die Aufführung der ganzen Kantate. Zuvor lauschte das Publikum den spannenden, aber auch amüsanten Ausführungen von Christoph Metzger. Er zeigte auf, wie sich der Komponist Bach bemühte, die Gedanken des Dichters Johann Friedrich Helbig nicht nur lautmalerisch, sondern auch durch geniale Komposition zu interpretieren und zu vertiefen. Die beiden Gesangssolisten, Sara Jäggi, Sopran, und Roger Bucher, Bariton, sowie Chor und Orchester unterstrichen mit vielen kleineren Musikbeispielen die Ausführungen des Dirigenten. Zum Abschluss des Morgens führten dann Solisten, Konzertchor Langnau und Langnauer Orchester die Kantate in voller Länge nochmals auf. Während des Gottesdienstes waren bereits die Hauptteile zu hören gewesen. Würdige Partner
Die Solisten Sara Jäggi und Roger Bucher beeindruckten beide durch ihr gefühlstarkes Mitgehen in ihren anspruchsvollen Parts. Chor und Orchester waren dabei würdige, äusserst aufmerksam geleitete Partner. Die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer dankten den Ausführenden mit langem Beifall für den herrlichen Morgen.
Der Konzertabend beginnt mit dunklem Grummeln aus dem tiefen Streichregister. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich der Klang, über die Violinen zu den Bläsern, bis das ganze Langnauer Orchester lodert. Das «Tripelkonzert» von Ludwig van Beethoven ist eröffnet.
Nach diesem Orchestervorspiel präsentiert die Schweizer Cellistin Eva Lüthi leidenschaftlich und mit viel Präsenz das Hauptthema. Genauso innig beseelt musizieren die beiden anderen Solistinnen des Norea-Trios: die koreanische Geigerin Hyunjong Reents-Kang und die bulgarische Pianistin Petya Mihneva scheinen ihre tiefsten Empfindungen unmittelbar in den Klang ihres Instruments umzuleiten. Fliessend geben sich die drei Musikerinnen die Soli weiter, oft spielen sie mit geschlossenen Augen. Ganz natürlich verschmelzen sie so mit dem Orchester zu einer Einheit.
Für die perfekt austarierte Klangbalance darf man auch den Dirigenten Christoph Metzger verantwortlich machen: Er versteht es, das Orchester an den richtigen Stellen sanft-begleitend im Hintergrund zu halten, um in den Tutti-Passagen umso mehr Strahlkraft hervorzuzaubern. Insgesamt ist die Interpretation aller drei Sätze von einer Erhabenheit, die der Grösse des Komponisten durchaus gerecht wird. Differenzierter Orchesterklang
Mit der dritten Sinfonie von Johannes Brahms führt das Langnauer Orchester dann direkt in die Spätromantik. Kleingliedrige Motive und schnelle Stimmungswechsel bestimmen den musikalischen Ausdruck. Dies bietet dem Dirigenten Christoph Metzger die Gelegenheit, sich als grandioser Maestro zu profilieren. Dabei ist bemerkenswert, wie differenziert er den Orchesterklang modelliert: Aus den Celli und Kontrabässen kratzt er das Erdige hervor, den Violinen zeigt er eine runde Fliessbewegung und die Bläser motiviert er zu einem griffigen Spiel. Alles in derselben Passage, wohlbemerkt.
Die Musikerinnen und Musiker des Langnauer Orchesters beweisen mit diesem Konzert eindrücklich, dass sie der emotionalen Tiefe einer Brahms-Sinfonie gewachsen sind. Das sangliche Klarinetten-Thema im zweiten Satz etwa ist herzerweichend vorgetragen, die sehnsuchtsvollen Violinen dazu seufzen wehmütig. Das Publikum bringt seine Begeisterung zum Schluss mit einer Standing Ovation zum Ausdruck. Was aber im Applaus auch mitzuschwingen scheint, ist ein aufrichtiges «Happy Birthday zum 150. Geburtstag».
24.11.2016 :: Stephan Ruch
Drei Wochen vor Ostern, am 12. und 13. März, lud der Konzertverein Langnau dazu ein, die Leidensgeschichte Christi musikalisch mitzuerleben. Das Langnauer Orchester und der Konzertchor Langnau spielten in der reformierten Kirche unter der Leitung von Christoph Metzger die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach. Musikalische Leidensgeschichte
Die Johannes-Passion nimmt die Zuhörer mit auf den Leidensweg Christi, von der Verhaftung über das Verhör bei Pontius Pilatus bis zur Kreuzigung. Eine interessante Rolle kommt dabei dem Chor zu: Zwischen den solistisch gesungenen Passagen aus dem Johannes-Evangelium singt er Choräle, die das Geschehen reflektieren und sozusagen aus unbeteiligter Perspektive kommentieren. Auf der anderen Seite übernimmt er in der Geschichte die Rolle des Jerusalemer Volks, das lauthals die Kreuzigung fordert.
Für die Solopartien hatten die Langnauer eine hochkarätige Besetzung engagiert. Die Sopranistin Beatrice Ruchti konnte krankheitsbedingt nicht auftreten und wurde schliesslich von Anne-Florence Marbot vertreten. Wechselnde Dynamik
Chor und Orchester waren von Beginn an sehr präsent und zogen die Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem dramatischen ersten Choral sofort in den Bann von Bachs Musik. Über das ganze Konzert hatte der Chor mehrere unterschiedliche Stimmungen zu interpretieren; der Wechsel zwischen den zumeist melancholischen Chorälen und den wütenden Einwürfen als Jerusalemer Volk klappte gut. Auch das Orchester wechselte zwischen verschiedenen musikalischen Dynamiken und unterstützte die Sänger stets sicher, sei es ruhig und mit Gefühl, sei es mit Intensität und Verve. Überzeugende Solisten
Die Solisten boten allesamt musikalische Leistungen auf höchstem Niveau. Dieter Wagner führte als Evangelist durch die Passionsgeschichte und hatte damit den grössten Anteil der Soli zu bewältigen. Die Bässe Lisandro Abadie (Jesus) und Christian Marthaler (Petrus/Pilatus) sangen ihre Rollen mit ausdrucksstarker und warmer Stimme. Ebenso überzeugten die Solistinnen Anne-Florence Marbot (Sopran) und Laure-Anne Payot (Alt) mit schönen, klar vorgetragenen Arien. Die instrumentale Begleitung der Rezitative oblag Sophie Lamberbourg an Cello-Continuo und Gambe sowie Annette Unternährer-Gfeller an Cembalo und Orgel. Nach zwei bereichernden Stunden rundete der Chor das anspruchsvolle Werk mit einem mächtigen Choral ab, der bei aller vorangegangener Dramatik und Melancholie einen hoffnungsvollen Schlusspunkt bildete.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dem Konzertchor ist unter der Leitung von Christoph Metzger, zusammen mit den Gesangssolisten Annina Künzi, Sopran, Judith Lüpold, Alt, Andreas Scheidegger, Tenor, Ulrich Simon Eggimann, Bass, und dem verstärkten Langnauer Orchester ein ganz grosser Wurf gelungen. Sie pickten aus dem weiten Opernschaffen nicht einfach nur die Rosinen heraus, nein, sie suchten sich für das gut zweistündige Konzert einige der schönsten Perlen aus und liessen diese denn auch herrlich aufleuchten. Eröffnet wurde der Abend mit der Ouvertüre zu Mozarts «Zauberflöte». Bereits hier verspürte man die grosse Spielfreude und die feine Gestaltungskraft des Orchesters in diesem festlich-besinnlichen Meisterwerk. Mozart wurde übrigens noch einmal berücksichtigt: Annina Künzi, Judith Lüpold und Ulrich Eggimann fanden sich im Terzett aus dem ersten Akt von «Cosi fan tutte» zu einer fein harmonierenden, beglückenden Einheit. Opernmusik nicht nur ernst
Einen gänzlich anderen, völlig verspielten Ulrich Eggimann erlebte man in «köstliche Singschule» aus Lortzings «Zar und Zimmermann». Hier konnte er als «Buffo-Bass» all sein Können ausspielen – und es gelang: Der Chor erwies sich als lernwillig und war dem Solisten ein würdiger Partner. Dass auch «ernste» Opernmusik nicht immer ganz so ernst genommen werden muss, bewies Ulrich Eggimanns Ensemble Voc-E in der spassig interpretierten Sinfonia aus Rossinis «Barbier». Als intensive,
leidenschaftliche «Carmen» stellte sich Judith Lüpold in der herrlichen «Habanera» vor, während Andreas Scheidegger in Carl Maria von Webers «Freischütz» als «Max» seine grossen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Ihren Glanzauftritt hatte Annina Künzi in Dvoraks «Rusalka». Mit grosser Leidenschaft flehte sie den Mond an, er solle ihr nicht erlöschen. Das Orchester stand hier der Solistin ganz besonders feinfühlig zur Seite und versetzte damit die Zuhörer in die zauberhafte, böhmische Märchenwelt. Sehr gediegen fanden sich Annina Künzi und Judith Lüpold in «Der Barcarolle» Jacques Offenbachs zusammen. Aufblühende Chöre
Ganz grosse Auftritte hatte natürlich auch der Chor. Im Chor «O süsser Mond« aus Otto Nicolais «Die lustigen Weiber von Windsor» ging es darum, die nächtliche Stimmung romantisch heraufzubeschwören. In Richard Wagners Chor «Freudig begrüssen wir die edle Halle» («Tannhäuser») konnte dann der Chor so richtig aufblühen, sei es als Männerchor oder als Frauenchor. Giuseppe Verdi erklang zum Abschluss. Vorerst war es das herrliche Quartett aus dem «Rigoletto», in welchem sich die Solisten zu einem betörenden Ensemble fanden, dann jubelte der Chor in «Gloria all’ Egitto» («Aïda») dem siegreichen Radames glanzvoll entgegen. Um den Abend aber doch besinnlicher zu beschliessen, schenkte der Chor als Zugabe den begeisterten Zuhörern noch einen weiteren Höhepunkt: Den Gefangenenchor aus Verdis «Nabucco».
Mit der knapp 25 minütigen Wilhelm Busch Kantate, welche Heinrich Sutermeister für vier gemischte Stimmen und Klavier zu vier Händen komponiert hat, landete der Konzertchor einen Coup. «Max und Moritz» belustigte die Gemüter und verscheuchte den Novemberblues.
Der Konzertchor unter der Leitung von Christoph Metzger meisterte die Musik Sutermeisters, der das Stück im Auftrag von Radio Bern 1951 schrieb, mit Bravour. Von den rhythmischen Tücken, von denen im Vorfeld gemunkelt wurde, war nichts zu spüren. Der Chor erzählte in gesprochenen Passagen die Streiche von Max und Moritz und setzte die Effekte in der Musik wirkungsvoll um. Eine Glanzleistung!
Isabelle Jeannet und Beat Schäfer steuerten der Kantate den nötigen Pfeffer bei. Auch alleine überzeugten die beiden Pianisten in den vierhändigen Ländlern «Vom Luzernersee» von Hans Huber, dem zweiten Schweizer Komponisten im Programm.
Den Anfang des Konzerts machten die Liebeswalzer von Johannes Brahms, eine charmante Mischung aus Chorlied und Walzer. Die Lieder erzählen unter anderem, dass nicht nur Buben böse Streiche verüben, sondern auch die Liebe gefährlich sein kann! Die dramatischen Nummern des Zyklus wie «Am Gesteine rauscht die Flut» lagen dem Chor besonders. Im Lied «Ein dunkeler Schacht ist Liebe» tat sich vor den Zuhörern richtiggehend ein Graben auf. Luftig-leicht dagegen gestalteten die Frauen- und Männerstimmen die Nummer 6 «Ein kleiner hübscher Vogel».
Weitere musikalische Höhepunkte steuerte die Gesangs-Direction selber bei. Bezaubernd schön sang Christoph Metzger die Nr. 17. Und noch mehr überraschte der Tenor im Schlaflied aus Hans Hubers Gesängen op. 52. Offenbar hat der in Langnau hoch geschätzte Dirigent auch sängerisch nochmals zugelegt!bhl.
Der Abend beginnt; der exotische Klangteppich Camille Saint-Saëns’ wird ausgerollt. Harmonien, die an China erinnern, erfüllen den Raum – die Ouvertüre zur Oper La princesse jaune. Als erster Höhepunkt folgt das Konzertstück für Harfe vom selben Komponisten. Der Harfenist Simon Bilger verzaubert mit sirrenden Arpeggien und weiten Akkordgriffen. Wie im Traum ziehen die vier Sätze vorbei, erst zum Ende finden die Gedanken wieder zurück in die Kirche.
Mit allen Registern
Dann fällt die Orgel ein. Organistin Annette Unternährer-Gfeller zieht alle Register und liefert sich ein dramatisches Tongefecht mit dem Orchester. Sie entfesselt fugenartige neobarocke Themen, die schliesslich vom Orchester übernommen werden. Das Klangerlebnis inmitten dieser beiden Partien ist einmalig und sucht seinesgleichen. Im weiteren Verlauf der Orgelsymphonie von Alexandre Guilmant stellt Unternährer-Gfeller gekonnt unter Beweis, wie vielfältig ihr Instrument ist; dazu gehören auch leisere Töne.
Nach den brausenden Schlussklängen des Tuttis erklingt ein weiteres spätromantisches Stück, das jedoch unterschiedlicher nicht sein könnte: Starre Zweierrhythmen gepaart mit verträumten Melodien auf Seite der Hörner und der Harfe sind bezeichnend für Maurice Ravels Pavane pour une infante défunte.
Finale maestoso
Zum Abschluss des Abends wird mit der Marche-fantaisie sur deux chants d’eglise Guilmants noch einmal gross aufgetragen. Wieder beeindrucken die überragenden Solisten. Auch hier ein gerades Taktmass, doch durch die Pizzicato der Streicher und das weiche Register der Orgel herrscht eine fröhlichere, beinahe aufgeregte Stimmung. Das Hauptthema wird motivisch zerlegt und vom Orchester immer weiter verarbeitet, bis das anfänglich liebliche Stück immer mehr anschwillt zu einem furiosen Finale. Unter Trommelwirbel erklingen die letzten Takte. Nach den Schlussakkorden atemlose Stille, dann tosender Applaus.
Doch es ging stetig aufwärts, es schien, als könnte das Orchester allmählich den beklemmenden Respekt abschütteln und befreiter aufspielen. Chor und Orchester fanden immer besser zusammen, und im Et incarnatus est vertrieben sie die letzte Schwere aus der Musik. Die Orgelklänge von Messiaen, gespielt von Annette Unternährer-Gfeller, mit welchen die Lücke in Mozarts Messe auf höchst spannende Weise gefüllt wurde, bildeten den inneren Umkehrpunkt an diesem Abend.
Zurück zum expressiven Lobpreisen
Mit dem verbleibenden Sanctus und dem Benedictus aus der c-Moll Messe von Mozart wendete sich musikalisch die Richtung von meditativer Selbstbestimmung zurück zum expressiven Lobpreisen innerhalb der festen Strukturen christlicher Liturgie. Dass Mozart mit seiner Musik diese Strukturen musikalisch bis ins Unendliche auszudehnen vermochte, konnte man im Benedictus eindrücklich hören. Unterstützt durch den Bass Ulrich Simon Eggimann sangen die Solisten zusammen mit dem Chor ein Benedictus, welches zum krönenden Finale gereicht hätte.
In der Konsequenz, der liturgischen Struktur einer Messe bis ans Ende zu folgen, musste jedoch nach dem Benedictus noch ein Agnus Dei folgen. Da Mozart für seine Messe kein solches komponierte, gelangte das Agnus Dei et Communio aus der ebenso in c-Moll geschriebenen Totenmesse von Johann Michael Haydn zur Aufführung. Im Gegensatz zum Orgelstück von Messiaen, welches einen spannenden Kontrast schaffte, fügte sich die Musik von Haydn, wenn auch ihre Formensprache enger wirkte, spielend an Mozart an.
So erklang denn trotz Mozarts kompositorischen Vakanzen in der vollbesetzten Kirche eine ganze Grosse Messe, die sowohl Aufführende wie Zuhörende mit ihrer unmittelbaren und eindringlichen Sprache berührte und zum ganz grossen persönlichen Klangerlebnis werden liess.
«S’isch äbe e Mönsch uf Ärde» machte den Anfang, mit «Le Ranz des Vaches» ging das Konzert zu Ende. Dazwischen folgten Volkslieder aus anderen Ländern. Sie alle handelten ein Thema ab: Die unerfüllte Liebe. Entzückt von der Poesie der Texte und der eingängigen Melodien lauschte das Publikum dem Gesang in der voll besetzten Kirche.
Der Konzertchor zeigte sich in Bestform. Nicht nur die Tenöre und Soprane brillierten, sondern auch die Altstimmen und Bässe glänzten. In allen Registern entdeckte man neue Gesichter. Neben der Musikalität staunte man über die gute Textverständlichkeit des Chors. Problemlos folgte man einem Lied mit 18 Strophen und wurde Zeuge einer Affäre, die sich zwischen einem Zimmer-
gesell und einer Dame entspann. Auch die französischen Lieder von Francis Poulenc erklangen in ausgezeichneter Diktion.
Volkslieder überarbeitet
Eine Entdeckung bildeten die zeitgenössischen Bearbeitungen von Volksliedern. In «Kein schöner Land» und «Der Mai ist gekommen» würzt die Neubearbeitung die Vertrautheit des Originals mit feinen Überraschungen. Von «Scarborough Fair», einem alten englischen Volkslied, erklang eine Jazzversion. Hier wie dort vermochte der Chor dem Publikum den Reiz des Neuen zu vermitteln.
Die in Langnau aufgewachsene Sopranistin Annina Katharina Künzi verzauberte das Publikum einmal mehr. Brittens Lieder gehörten zum Schönsten des Abends. Im Unterschied zu den schwedischen gestaltete Künzi die irischen Liebeslieder sehr schlicht. Ganz natürlich sang sie die Melodien mit einer Stimme so rein wie Quellwasser. Am Flügel begleitete sie Beat Schäfer. Einfühlsam unterstützte der Pianist die Sängerin wie den Chor.
Bleibt zum Schluss die «Gesangs-Direction» von Christoph Metzger zu nennen. Programm und Moderation, wie er mit dem Chor musizierte, seine solistischen Auftritte, das alles bereitete Freude. Christoph Metzger, der Chor und Orchester seit 2007 leitet, ist ein absoluter Glücksfall für Langnau.
Wer am Wochenende nach Genuss des herrlichen vorfrühlingshaften Wetters in die Kirche Langnau kam, beabsichtigte nicht nur seinen Genuss auf musikalische Art und Weise fortzusetzen, sondern auch, um sich ein Werk anzuhören, dass sich um
die letzten Dinge Tod, Apokalypse, Himmel und Hölle dreht.
Matthias Kobel
Das vom deutschen Komponisten Louis Spohr 1825 verfasste Oratorium «Die letzten Dinge» fügte sich in der Interpretation des Langnauer Orchesters und des Konzertchores Langnau nahtlos in die Schwerelosigkeit dieses wolkenlosen, frischwarmen Wintertags. Denn, lag es an der Partitur, an der Absicht des Komponisten oder am sanft geführten Klang der Stimmen, der Streicher und Bläser, dass kaum einmal apokalyptische Zustände hereinbrachen, Klangwelten zertrümmerten oder Dissonanzen den Raum beherrschten? Die Hölle, das Wort fehlt in der ganzen Partitur, bleibt lediglich als ein Ort erwähnt, wo sich der erlösende Tod nicht finden lässt.
Harmonie
Christoph Metzger setzte mit seiner Interpretation auf Harmonie, auf den grossen Bogen, auf die positive Grundhaltung dieses Werks und legte damit eine Richtung vor, in welche Chor und Orchester mit hohem gesanglichem und musikalischem Niveau dahin schritten, immer tiefer hinein, dem Auge Gottes folgend, das da «dringt in dein geheimstes Innere!». Zentral und doch eingestimmt in Chor und Orchester, gab es da herrliche Begleitpassagen, wusste das Gesangsquartett mit Jardena Flückiger, Sopran; Astrid-Frédérique Pfarrer, Alt; Raphaël Favre, Tenor und René Perler, Bass, den Wohlklang noch zu steigern.
Gotthelfs Wassernot
In der Absicht, diesem Werk Texte von Jeremias Gotthelf aus seiner Erzählung von 1838 «Die Wassernot im Emmental» gegenüberzustellen, steckte mehr als nur den lokalen Bezug und die Analogie zwischen Naturkatastrophe und Apokalypse zu schaffen. In der Sprache Gotthelfs kam eine Urgewalt zum Vorschein, eine Kraft, die Welten baut und zerstört, die in Spohrs Werk fehlt. Hier glättet mit Sanftmut die Religion alle Wogen, dort mahnt eine beseelte Stimme von des Menschen Überheblichkeit gegenüber der Natur. Erst von lichten Tönen über die letzten Dinge hinweg getragen zu werden, um dann, durch Gotthelfs Worte in die dunkle Kirche hineingesprochen, zurückgeworfen zu werden in den ewigen Kampf irdischen Lebens.
Zwanzig Jahre nach Gotthelfs Text sollte Charles Darwin seinerseits mit der Evolutionstheorie diesen Spannungsbogen noch weiter spannen und, dank solchen genussreichen und gehaltvollen Konzertinszenierungen wie nun in Langnau bleibt der Bogen bis heute gespannt.
Böhmen spielte, von der Finalteilnahme der Tschechoslowakei im Jahre 1962 einmal abgesehen, in der Geschichte des Weltfussballs keine ausserordentliche Bedeutung. Umso grösser war jedoch sein Einfluss auf die Musikgeschichte. Komponisten wie Dvorák, Duschek, Smetana, Zelenka und Suk verzaubern mit ihren Werken die Konzertsäle und Musiksalons seit dem 17. Jahrhundert. Mit der Serenade für Streichorchester op. 6 von Josef Suk und Slawischen Tänzen für Orchester aus den op. 46 und 72 von Antonín Dvorák, stellte das Langnauer Orchester unter der Leitung seines Dirigenten Christoph Metzger ein Programm zusammen, welches die kulturelle Tiefe und musikalische Vielfalt Böhmens eindrücklich zur Geltung brachte.
Dieser Reichtum ist, genauso wie der fussballerische Erfolg, nicht einfach zu bekommen. Viele technische Hürden wie schnelle Tempi, abrupte rhythmische Wechsel und schwindelerregend hohe Lagen für die Streicher gilt es zu meistern. Dem Langnauer Orchester gelang dieses Meisterstück bereits in Suks Serenade, besonders im melancholischen dritten Satz, welcher von einer berückenden Intensität durchdrungen war. Zur Pause stand es so verdientermassen 1:0.
In Dvoˇráks Tänzen fesselte das Orchester, verstärkt durch Bläser und Schlaginstrumente, mit einem wahren Traumfinalspiel das Publikum. Von fiebriger Spannung und tänzerischer Akrobatik, erholender Zurückhaltung und bäuerlicher Bodenständigkeit bis hin zum feurigen, triangelbesetzten Festtagsklang – ein tönendes Gemälde, das sich, dank dem ausdauernden Training der Spielerinnen und Spieler des Langnauer Orchesters und des überzeugenden Coachings ihres Trainers in ein aussergewöhnliches Hörerlebnis verwandelte und allen, Musikerinnen und Musikern, Zuhörerinnen und Zuhöreren, einen 2:0 Sieg mit nach Hause brachte.
ter gemeinsam ein Werk aufführen? Die Antwort ist nicht einfach, denn, wie soll man Wunder, selbst die kleinen, erklären?
kml Und doch muss nach dem letzten Konzert in der reformierten Kirche Langnau ein Versuch unternommen werden, denn, was sich da am Tage des heiligen St. Nikolaus dem Publikum offenbarte. war ein kleines, musikalisches Wunder. Aber dieses Wunder entsteht, es wächst langsam, und von der Dorfgemeinschaft kaum bemerkt, unter den Namen Üben und Proben mitten unter uns heran. Und plötzlich zeigt es sich, durch Laiensängerinnen und -sänger, Laienmusikerinnen und -musiker, die alleine übten, gemeinsam probten und nun für alle aufführen: «A Ceremony of Carols» und «Saint Nicolas» von Benjamin Britten.
Leicht und zuweilen schalkhaft
Ergänzt durch den deutschen Kinderchor von Burgdorf bei Hannover, welcher zu Beginn mit Kerzenlicht in der Hand singend das Kirchenschiff durchschreitet und der Harfenspielerin Salome Zinniker eröffnet der Konzertchor Langnau unter Christoph Metzger das Konzert mit einer Auswahl an alten englischen Weihnachtsliedern. Der Gesang berührt durch seine Natürlichkeit, keine mystische Schwere, leicht und zuweilen schalkhaft.
Benjamin Brittens Kantate «Saint Nicolas» schildert in kindlicher Tonsprache das wundervolle Leben des heiligen Nikolaus, Bischof von Myra, unserem Samichlous und Schutzpatron der Kinder. Der amerikanische Tenor Scot Weir erzählt mit seinem klaren, direkten und unaufdringlichen Gesang von der Geburt, der Pilgerfahrt, der Gefangenschaft, den Wundern und dem Tod des heiligen Mannes. Die beiden Chöre, wobei der Kinderchor von der Empore aus singt, füllen mit beeindruckender stimmlicher Präsenz und Klangdynamik den Kirchenraum. Ausgewogen und strukturiert wird diese Klangfülle durch ein Langnauer Orchester, das sich in dieser Musik hörbar wohl fühlt. Unterstütz durch Isabelle Jeannet und Beat Schäfer am Klavier, Jürg Neuenschwander an der Orgel sowie Emanuel Speiser am Schlagzeug finden die Musikerinnen und Musiker zu einer modernen, entschlackten und trotzdem reichlich bunten und jugendlich frischen Tonsprache.
Im Zentrum steht das Kind
Die humorvollen, von Simone von Büren gestalteten und zusammen mit Peter Kläntschi, Rachel Jenni und Adrian Bohnenblust vorgetragenen Zwischentexte, lassen erkennen, dass sich Geschichte und Musik um ein Zentrum drehen, in dessen Mitte das Kind steht, das Kind in uns allen, das fragende Kind der Unbefangenheit und Neugierde, das Kind als ein Wunder des Lebens und als Hoffnung für die Zukunft.
Als es am Sonntag eindunkelte und sich die ersten Samichläuse auf den Weg machten, begaben sich in Langnau Liebhaber klassischer Musik zu einem Besuch in die Kirche. Und sie wurden reich beschert. Was der Konzertverein Langnau unter der Leitung von Christoph Metzger darbot, war mehr als bloss ein eindrückliches Konzert. Es war ein seltenes Musikerlebnis. Angefangen hat es damit, dass Kinder die dunkle Kirche erhellten – mit Kerzen und ihren hellen Stimmen. Der Burgdorfer Jugendchor aus Hannover sang, begleitet von Harfenklängen, eine Auswahl aus Benjamin Brittens «A Ceremony of Carols». Den Glauben gespürt Danach hatte der Samichlaus seinen Auftritt. Allerdings nicht der kitschige im roten Mantel, sondern «Saint Nicolas», die Kantate, die Britten (1913–1976) für Solo-Tenor, Kinderchor, gemischten Chor, Klavier, Schlagzeug, Streicher und Orgel geschrieben hat. Nicht nur der Tenor Scot Weir, der den Part des Heiliggesprochenen sang, sorgte dafür, dass die Geschichte Niklaus’, des Bischofs von Myra, nicht bloss gehört, sondern auch nachempfunden wurde. Dafür sorgten vor allem auch die verblüffenden und starken musikalischen Kontraste, derer Britten sich bedient hatte. Sie wurden vom Langnauer Konzertverein in so überzeugender und einfühlsamer Art interpretiert, dass das Publikum etwas spürte von dem Glauben, der Niklaus’ Leben und Wirken geprägt hatte.
Susanne Graf
Es waren vollmundige Leckerbissen, die das Langnauer Orchester an seinem Konzert offerierte. Das Publikum wurde davon mehr als satt und verliess die Kirche zufrieden.
Matthias Kobel
Bekanntermassen war Gioacchino Rossini nicht nur ein begnadeter Komponist, sondern auch ein ausserordentlicher Feinschmecker. Er musste deshalb gewusst haben, dass ein Ragù alla napoletana zum Beispiel seinen vollen Geschmack nur dann entfaltet, wenn er bei niedriger Temperatur mehrere Stunden gegart und am Ende von dickflüssiger Konsistenz ist. Dieses Rezept hat er unzweifelhaft auch für seine Ouvertüren angewendet, denn das Langnauer Orchester unter Christoph Metzger beschloss am letzten Samstag sein Konzert in der Kirche Langnau mit «La gazza ladra», einer dieser verdickten Rossini-Ouvertüren. Dass Witz und Leichtigkeit dabei nicht verdampfen, bewiesen die mit Ironie und Schalk gespielten Solostellen.
Auf der Karte stehen «Ouvertüren»
Den ganzen Abend lang wurde dem Publikum eine Ouvertüre nach der anderen serviert. Da zeigte sich, dass das italienische Rezept natürlich auch von deutschen, österreichischen und französischen Komponisten beherrscht wurde. In Wolfgang Amadeus Mozarts Ouvertüre zu «Die Zauberflöte» gelang es dem Orchester trotz des etwas trägen Tempos, das Leichte und Märchenhafte im Kampf zwischen Gut und Böse zu bewahren. Besonders in der Zugabeversion kamen alle diese Zutaten wohlklingend zur Geltung.
Luigi Cherubinis Ouvertüre zu «Anacréon ou l’amour fugitif» begeisterte durch den lyrischen, fein abgeschmeckten Dialog zwischen Oboe, Horn und Flöte. Dagegen wirkte die Gewürzmischung bei den Tuttistellen, wie aus dem Orchestergraben klingend, etwas indifferent und flach.
Das Auge isst mit
Cherubinis Schüler und einer der gefragtesten Opernköche in Paris war Daniel-François-Esprit Auber. Getreu der Wahrheit, dass man auch mit den Augen isst und dem Geschmack des damaligen Opernpublikums entsprechend, steht in seiner Musik der Effekt vor dem Inhalt. Hier konnten sich die jungen Mitglieder des Langnauer Orchesters an Pauke und Trommel so richtig ins Zeug legen, der Konzertmeister, Jürg Egger, spielte versunken das Geigensolo im Mittelteil und mit theatralischem Gestus endete diese üppige Ouvertürenmahlzeit. Auch Franz von Suppé bediente sich aus derselben Küche, seine Ouvertüre zu «Dichter und Bauer» war gespickt mit Walzereinlagen, einem herrlichen Cellosolo und dem Duettieren von Celli und Bläsern.
Mit Ernsthaftigkeit am Werk
Beethoven und Schubert mussten über Opern-, Ballett- und Schauspielmusik anders gedacht haben. Mit eherner Ernsthaftigkeit dem Inhalt gegen-
über, die hohen menschlichen Werte und Ziele vor Augen, komponierten sie, jeder mit seinen eigenen Zutaten, Ouvertüren und Vorspiele. Die romantische «Zauberharfe» von Schubert erfreute durch die harmonische Abstimmung zwischen Bläsern und Streichern und Beethovens «Egmont» schien dem Orchester besonders zu liegen. Mit sicherer Hand führte Chris-
toph Metzger das mit jungen Musikern und Musikerinnen verstärkte Orchester durch Spannung und Dramatik, Leidenschaft und Trauer. Eine bewundernswerte Leistung für ein Amateurorchester, das nur minimal mit Berufsmusikern verstärkt war.
26.03.2009 Der Konzertchor Langnau präsentierte ein Potpourri aus ernsten und unterhaltsamen Stücken zum Thema Frühling. Am überzeugendsten trat der Chor in den kunstvoll komponierten Chorliedern auf, aber auch auf dem Gebiet der Unterhaltung wusste er zu gefallen.
Bettina Haldemann-Bürgi
Pünktlich zum Frühlingsbeginn präsentierte der Konzertchor Langnau einen musikalischen Blumenstrauss. Christoph Metzger, der Dirigent, führte durch ein unkonventionelles Programm. Hochstehendes, das die Seele berührt, stand neben Hits aus dem Unterhaltungsbereich. Dieser Mix gefiel und lockte ein zahlreiches Publikum in die Kirche Langnau.
Der Eingangschor aus der Oper «Die verkaufte Braut» von Smetana leitete das Konzert ein. Der beherzt auftretende Chor riss einem mit in den Freudentaumel des Frühlings. Dann folgte ein Chorlied von Joseph Rheinberger, darauf im langsamen Walzertempo das Wienerlied von Robert Stolz «Im Prater blüh’n wieder die Bäume». Auf diese Weise nahm das Konzert seinen Lauf. Thema war immer wieder der Frühling und die erwachende Liebe.
Schlager sorgten für Heiterkeit
Dass der ehrwürdige Konzertchor sich in die Niederungen des Showbusiness hinab begab, hatte etwas Erfrischendes. Die alten Schlager sorgten für Heiterkeit. Wer schmunzelt nicht, wenn er oder sie Kreislers «Tauben vergiften» oder «Veronika, der Lenz ist da» hört. Doch die Wahl der Stücke hatte auch eine problematische Seite. Viele Schlager wurden für eine Einzelstimme oder ein paar wenige Solostimmen wie die Comedian Harmonists geschrieben. Das beste Arrangement reicht da nicht an das Original heran. So gut der Chor die Evergreens auch sang und beste Unterhaltung bot, man wurde den Eindruck nicht los, dass diese Stücke nicht von einem grossen Chor gesungen werden sollten.
Gefühl des Friedens vermittelt
Warm ums Herz wurde es einem bei den Liedern von Mendelssohn. Der Komponist regte an, die Lieder im Freien zu singen. Damit wollte der Künstler der Entfremdung zwischen Mensch und Natur, welche die Industrialisierung mit sich brachte, entgegen wirken. Das ist ihm ohne Zweifel gelungen. Ein Gefühl des Friedens und der Ruhe erfasste einen. Man glaubte, in der Natur zu sitzen und die Wärme eines Sommerabends zu spüren.
Der Konzertchor verblüffte auch an diesem Konzert wieder mit einer guten Textverständlichkeit. Das Publikum verstand nahezu alles. Ebenfalls bewunderte man die musikalischen Bögen, welche der Chor spannte. Während es in vielen Chören an guten Männerstimmen mangelt, befinden sich die Tenöre und Bässe des Konzerchors in ausgezeichneter Form. Immer wieder zogen sie bewundernde Blicke auf sich. Das Lied «Frühling im Sorrent» für Männerchor war ein Ohrenschmaus erster Güte. Einen etwas weniger sicheren Eindruck hinterliess der Sopran. An ein paar Stellen bekundeten sie Mühe mit der Höhe. Erstaunlich gut dagegen gelang die «Märznacht». Die Frauenstimmen brachten das Kunststück fertig, nach einem Schlager zu Brahms hinüberzuwechseln und das hochartifizielle Lied, das keine zwei Minuten dauert, in guter Qualität vorzutragen.
Für die Lied- und Chorbegleitung war die Pianistin Isabelle Jeannet besorgt. Sie überzeugte in ihren Auftritten, folgte den Tempi, war nie zu laut, meisterte die heiklen Passagen bei Schubert und begeisterte mit packenden Eingangs- und Schlussspielen.
Am schönsten war die Stimme des Frühlings zu vernehmen, wenn Chris-
toph Metzger selber zu singen anhob und das Publikum entzückte. Wie er die beiden Schubert-Lieder gestaltete, war grossartig. Die Musik atmete. Wie kein anderer beherrscht er die Kunst des Legato. Selten hört man eine Stimme, die sich so selbstverständlich in den Dienst der Musik stellt und das gesungene Wort in seiner ganzen Schönheit und Wahrhaftigkeit aufleuchten lässt.
Matthias Kobel
Als sich im Jahre 1609 die Menschen in Italien zusammenfanden um Musikern und Sängern zuzuhören, die Madrigale spielten und sangen, dann taten sie dies mit der Überzeugung, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Natürlich wurde gerade in diesem Jahr von einem gewissen Galileo Galilei ein anderes Weltbild vorgestellt, doch das interessierte in diesen Momenten nur wenige. Musiker wie Claudio Monteverdi, Don Carlo Gesualdo und vor ihnen Orlando die Lasso und Alessandro Striggio verzückten die Menschen mit ihren Madrigalen. Weltliche Stücke, in der Sprache des Volkes, die erzählten vom Leben, vom Lieben, von Leidenschaft und Tod. Themen also, die als Quelle für künstlerische Inspiration und öffentlich vorgetragen etwas völlig Neues bedeuteten.
In diese meist a cappella komponierten Stücke vertiefte sich der Konzertchor Langnau, trotz inzwischen revidiertem Weltbild, mit viel Einfühlung und Lebendigkeit. In einer Zeit, in der wir mehr denn je glauben, nun bald, mit Hilfe eines riesigen Tunnels am Genfersee, die Materie zu entdecken, die die Welt im Innersten zusammenhält, überraschte der Chor mit seinem Gesang. Denn diese musikalischen Experimente aus der Renaissance mit ihrer affektierten Antiquiertheit berührten unverhofft. Es lag an der geglückten Sensibilität aller Stimmlagen zwischen Meditieren und Divertieren die Balance zu halten und dadurch eine fortwährende, in sich ruhende Schwingung zu erzeugen.
Text und musikalische Verbildlichung verbanden sich zu einer Einheit, die sich in den vom Ensemble «il desiderio» noch dahingehend steigerte, als dass die frühbarocken Blasinstrumente mit der Orgel nonverbale Madrigale vortrugen, die Raum für die ganz persönlichen Lebensthemen offen liessen. Oder aber, man entband sich von allen Gedanken und lauschte dem Klang der beiden Zinkspieler Hans-Jakob Bolliger und Agathé Gautschi, den Posaunenspielern Markus Bertschi und Christian Braun, der Dulzianspielerin Susann Landert und der Organistin Silvia Wagner. Und da konnte es schon passieren, dass Geozentrisches und Heliozentrisches sich auflösten und nichts blieb als eine verbindende Einheit von Ich und Welt.
Zwischen der Renaissance, dieser aufregenden Geburtszeit der Madrigale und ihrer Langnauer Renaissance am letzten Wochenende, quasi als Geburtshelfer, steht Paul Hindemith. Der Bürgerschreck und provokative Kopf fand im Madrigal die ideale Form um seine temperamentvolle Phantasie und Virtuosität musikalisch zu verbrauchen.
So entstanden, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts humorvolle und ironische Madrigale, die augenzwinkernd kontrastierten zu den schwermütigen Texten der alten Meister. Hier zeigte auch der Konzertchor Langnau, unter dezenter und feinfühliger Leitung von Christoph Metzger, ein anderes, ein heiteres, beinahe spöttisches Gesicht, das scheinbar alles Dagewesene wieder hinterfragte und auf den Kopf stellte.
Die Blumensträusse, als wohlverdientes Dankeschön für Musikerinnen, Musiker und Dirigent, bestanden aus wunderbaren Sonnenblumen die, wie wir wissen, dem Sonnenlauf folgen oder, folgt die Sonne den Blumen?
Rudolf Trauffer
Die kühlen Temperaturen und der Nieselregen liessen nur bedingt an den Süden denken. Doch gleich die ersten Töne entführten die Zuhörenden in die sonnendurchglühte Landschaft jenseits der Pyrenäen. Man spürte die flimmernde Hitze, man hörte das Sirren der Insekten im kastilischen Hochland. Was ist es wohl, was eine Musik so unverwechselbar spanisch klingen lässt? Sind es die vorwärts drängenden, tänzerischen Rhythmen? Oder sind es die leisen, wehmütigen Anklänge an arabische Melodien? Oder ist es einfach das Kolorit des Gitarrenklangs, welches spanische Impressionen vor unser inneres Auge zaubert?
Die Gitarre stand tatsächlich im Mittelpunkt des Abends. Mit inniger Beseeltheit und beeindruckender Virtuosität zauberte Matthias Kirchner Melodien und Harmonien aus den sechs Saiten seines Instrumentes. Immer wieder glaubte man Anklänge aus der spanischen Folklore zu hö-ren, sowohl in den alten Tänzen für Gitarre solo von Gaspar Sanz aus dem 17. Jahrhundert wie auch in der Fantasie von Joaquin Rodrigo (1901 – 1999), in welcher der Gitarrist und das Orchester gemeinsam auftraten. Wer spanische Gitarrenmusik sogleich und ausschliesslich mit Flamenco-Klängen verbindet, war überrascht von der Vielseitigkeit der gespielten Werke. Witz und Melancholie, schräge Harmonien und pulsierende Rhythmen versetzten das Publikum in Begeisterung.
Gefühlvoll und spannungsreich
Das Langnauer Orchester liess sich vom gefühlvollen Musizieren des in der Schweiz lebenden Wieners inspirieren. Es bemühte sich um spannungsreiche Tempowechsel und reichhaltige Dynamik, auch wenn man sich vielleicht da und dort einen heftigeren Ausbruch der Heissblütigkeit hätte vorstellen können. In einer aus Werken des bekannten Komponisten Isaac Albeniz zusammengestellten Suite, einer musikalischen Ferienreise durch Spanien, führte das Orchester von einem Tanzfest zum nächsten, von Asturien bis ins Herz von Andalusien.
Immer wieder hat das Langnauer Orchester in den letzten Jahren seine Konzerte unter einen geografischen Schwerpunkt gestellt und dadurch die Volksseelen Europas klingend erleben lassen.
Matthias Kobel
In Händels letztem Oratorium Jephtha, vollendet 1752, sucht das Volk Israel einen kriegerischen Anführer, um sich von der Unterdrückung der Ammonitern zu befreien. Die Handlung ist dem Alten Testament entnommen, sowohl der Librettist Thomas Morell als auch Georg Friedrich Händel greifen jedoch mit theatralischer Phantasie dem Stoff tüchtig unter die Arme.
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Aus einer wenige Verse langen, biblischen Geschichte wird so ein Drama, in welchem Menschen, ihre Gefühle, ihre Liebe, ihre Schicksalsergebenheit im Zentrum stehen. Diese emotionale Dichte entlang einem dünnen Handlungsstrang musikalisch herauszuarbeiten, in konzertanter Form hör- und fühlbar zu machen, zudem die enorme Länge mit Spannung zu füllen, glich einem Griff nach den Sternen. Und der Griff gelang. Weshalb? Da war zuallererst das Konzept der Aufführung. Eingeschoben zwischen die einzelnen Teile des Werkes figurierte ein Sprecher als kritischer Betrachter des Geschehens. Diese Texte von Simone von Büren erzählten, beurteilten und bildeten dadurch eine Projektionsfläche, auf welcher sich die vielschichtige bunte Emotionalität der barocken Musik Händels ausbreiten konnte.
***
Sozusagen der Grundton auf dieser Fläche legte das Langnauer Orchester mit Jürg Egger als Konzertmeister. Es überzeugte durch Präsenz und Energie in den Tuttistellen und mit feinem Klang im Accompagnato. Da und dort hätten die Verzierungen lebendiger sein können und leider fand die feine Stimme der Theorbe, gespielt von Krishnasol Jiménez, nur selten Gehör.
In den Continuostellen beeindruckte Annette Gerber abwechslungsweise am Cembalo und an der Orgel, zusammen mit Felix Schaffroth am Cello durch ihre Lebendigkeit und dem Reichtum an Phrasierungen.
***
Die Chorpartien bildeten sich mit ihrer Religiosität kontrastreich und farbig auf der Projektionsfläche ab. Der Konzertchor Langnau, mit leider etwas schwach besetztem Bariton- und Bassregister, interpretierte mit deutlicher Aussprache, Leichtigkeit und Spontaneität. Christoph Metzger führte umsichtig, mit dezentem Gestus, setzte auf mutig schnelle Tempi und vermochte die Konzentration und Spannung bis zum Schlussakkord hoch zu halten.
Mit aller Kunst des barocken Gesangs breiteten sich die Solostimmen auf dieser bereitgelegten Fläche aus, setzten Farbton an Farbton, eroberten mit allen Schattierungen der Gefühle Teile dieser Fläche und standen doch als Gestaltende der Geschichte ganz lebendig im Zentrum. Daniel Sans, Tenor, Claude Eichenberger, Mezzosopran, Anouschka Lara, Sopran, Stefan Vock, Bass und Sprecher sowie Peter Kennel, Countertenor, vollbrachten das grosse Kunststück, dass wir, die Zuhörer, nicht der Geschichte lauschten, sondern den Menschen, dass wir mitfühlten, mitlitten und uns am Ende, nach zweieinhalb Stunden, mitfreuten, einen solch wunderbaren Abend miterleben zu dürfen. Der Griff nach den Sternen gelang. Später werden wir es zurückblickend Sternstunde nennen
Schade, dass Händels «Jephtha» nicht öfter aufgeführt wird. In Langnau fand das Oratorium begeisterte Aufnahme.
Ein Drama spitzte sich zu in der voll besetzten Kirche Langnau. Der Konzertverein unter der Leitung von Christoph Metzger führte Georg Friedrich Händels Oratorium «Jephtha» auf. Jephtha, der israelische Richter, zog in den Krieg gegen die Ammoniter. Er gewann dank Gottes Hilfe. Doch Jephtha hatte Gott gelobt, in diesem Fall zu opfern, wer ihm bei der Rückkehr zuerst begegnen würde. Es war seine Tochter.
Es ging unter die Haut, wie diese (Anouschka Lara) fröhlich die siegreiche Heimkehr ihres Vaters besang, Jephtha (Daniel Sans) aber in tiefe Verzweiflung versank. Tapfer hielt er an seinem Gelübde fest, wie sehr ihn seine Frau (Claude Eichenberger) und der Verlobte seiner Tochter (Peter Kennel) auch beschworen, die junge Frau zu verschonen. Die Solisten weckten tiefe Gefühle, der Langnauer Konzertchor und das Orchester verstärkten sie mit ihrer majestätischen Musik.
Eine Lösung gefunden
Ein Erzähler (Stefan Vock) sorgte dafür, dass immer klar blieb, was in der Bibel steht und was sich die Künstler hinzugedacht hatten. Händel und der englische Pfarrer Thomas Morell, der das Libretto geschrieben hatte, konnten – anders als die Bibel – nicht offen lassen, ob Gott das Opfer tatsächlich einforderte. Ein Engel wurde aktiviert, die Tochter blieb am Leben, musste sich aber ihre Jungfräulichkeit bewahren.
Grund zum Jubeln
Simone von Büren, die die Zwischentexte für die Langnauer Aufführung geschrieben hatte, stellte diese Wendung der Geschichte zwar in Frage. Aber in der barocken Zeit habe sie halt glücklich enden müssen, liess sie den Erzähler augenzwinkernd bemerken.
Dank diesem – wenn auch zwiespältigen – Happyend hatte der Chor Anlass, die Aufführung nach zweieinhalb intensiven Stunden mit einem fulminanten Lobgesang abzuschliessen. Das begeisterte Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem stehendem Applaus für die wenig bekannte, aber wunderschöne Musik, die in weiten Teilen an Händels berühmten «Messias» erinnert. Das Werk hätte es durchaus verdient, öfter aufgeführt zu werden.
Margrit Kipfer
Seit Ende letzten Jahres leitet der 1976 in Bern geborene Christoph Metzger den rund achtzigköpfigen Konzertchor Langnau. Metzger erlangte an der Hochschule der Künste Bern das Lehr- und Konzertdiplom Gesang sowie das Lehrdiplom Klavier. Parallel dazu liess er sich im Fach Musik zum Gymnasiallehrer ausbilden. Das Dirigieren beschäftigte den jungen Musiker während des ganzen Studiums. In Bern und Zürich genoss er Weiterbildung bei musikalischen Persönlichkeiten. Neben seiner Tätigkeit in Langnau wirkt Christoph Metzger jetzt als freischaffender Konzert-, Lied- und Opern-Sänger sowie als Gesangslehrer an der Kantonsschule Wohlen (AG).
Mit dem gut fundierten Konzertchor hat Christoph Metzger für das erste Konzert in Langnau nicht alltägliche Werke für Chor, Soli und Orgel des Komponisten Antonín Dvorˇák einstudiert. Dvorák wurde 1841 geboren und verkörperte mit Smetana die tschechische Musik vor dem ersten Weltkrieg.
In der Kirchlichen Serenade stellte der Konzertchor gleich drei Aspekte der religiösen Musik Dvoráks vor. Aus dem Werk «In der Natur» op. 63, das Dvorˇák 1882 komponierte, brachte der Chor drei Lieder für Chor a capella zur Aufführung. Diese Lieder sind keine geistlichen Lieder, dennoch kommt in ihnen Dvorˇáks stark in der Natur verwurzelter Glaube zum Ausdruck. Unter der kompetenten Führung seines Dirigenten verlieh der Konzertchor den Liedern eine behutsam fundierte Tiefe und Kraft.
Für seine Biblischen Lieder op. 99 hat Dvorák verschiedene Passagen aus dem Buch der Psalmen ausgewählt und zusammengestellt. Die ursprünglich für tiefe Singstimme und Klavier geschriebenen Lieder wurden schon bald der Orgel übertragen, die ihren religiösen Inhalt unterstreicht. Die zehn Lieder aus den Heften eins und zwei wurden von den Solisten Marysol Schalit, Sopran, Susanne Gritschneder, Alt, Raphaël Favre, Tenor, und Roger Bucher, Bass, mit Orgelbegleitung durch Daniela Wyss aufgeführt. Roger Bucher ist in Langnau geboren und aufgewachsen, wo er ersten Gesangsunterricht bei Martin Geiser erhielt. Die vier jungen Solisten beeindruckten mit ihren klaren Stimmen und der sauberen Führung. Sie verliehen den biblischen Liedern Würde und Ehre. Besonders erfrischend klang hier die Sopranistin, die ihren Passagen in allen Tonlagen reine Fülle gab.
In der Messe in D-Dur für Soli, Chor und Orgel op. 86 führte Metzger mit inniger Verbundenheit durch das grossartige und berührende Werk, in dem der Komponist traditionelle Elemente mit neuartigen Komponenten verbindet. Mit sicheren Stimmen meisterten Solisten, Chor und Orgel die teilweise schwierigen Passagen in den fünf Sätzen und führten die Messe Dvorˇáks im Agnus Dei zu einem wunderbaren Ausklang.
Matthias Kobel
Zeitgenosse eines Genies zu sein, ist nicht ganz einfach, und das die Nachwelt mit Bemerkungen wie «das hört sich an wie Mozart» den begabten Komponisten einer Zeit im langen Schatten des grossen Genies stehen lässt, geschieht manchem zu Unrecht.
Johann Christian Bach hat diesbezüglich doppeltes Pech, denn sowohl der übermächtige Schatten des Vaters wie der wachsende des jungen Mozarts trüben heute seine musikalische Aura. Doch der 1. Satz seiner Sinfonia op.9 liess, dank dem aktiven und vom ersten Ton an sehr präsenten Langnauer Orchester, aufhorchen. Das ist weder der barocke Vater noch der frühklassische Mozart, das ist Übergang, spannendes Hin und Her.
Gleichermassen getrieben auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen scheint Joseph Martin Kraus. Mit einer bemerkenswerten Tonintensität begannen die Streicher die Symphonie in cis-Moll und brachten das Suchende, Dissonante genauso stark zum Ausdruck wie das impulsive Aufbrausen, das Ruhelose. Fehlte manchmal das Fundament in den Bassregistern etwas, so tat das dem Eindruck eines freudigen und energievollen Spiels keinen Abbruch. Sicher auch ein Verdienst des jungen Dirigenten Christoph Metzger, der die volle Aufmerksamkeit des Orchesters genoss und diese mit klarer Zeichensprache und guter Tempowahl zu nutzen wusste.
Wie der Wind
Im zweiten Teil des Abends hoben sieben Bläsersolistinnen und -solisten die Partita in D von Antonio Rosetti aus dem Schatten der Musikgeschichte. Treffend nennen die Engländer Blasinstrumente als «wind instruments», denn die Oboen, Hörner, Klarinetten und das Fagott umspielten sich, verschiedenen Winden gleich, mit eigenem Temperament und Leichtigkeit. Ein Zusammenspiel mit Persönlichkeit und hohem Können.
Natürlich war man gespannt auf den jungen Pianisten Henrik Järvi aus Finnland, und natürlich stellte sich bei den ersten Takten des Orchesters von Mozarts Klavierkonzert KV 450 der «Mozartgroove» ein. Und doch bekam diese Stimmung eine zusätzliche Färbung, den Bach, Kraus und Rosetti schwangen da irgendwie auch noch mit und die Interpretation des Pianisten verblüffte gleichermassen mit interpretatorischem Spielraum, in dem zuweilen Zukünftiges von Beethoven und Schubert auftauchte. Liegt darin das Zeitlose eines Genies? Und liegt in der Fähigkeit, dieses Geniale aus der Partitur in die Klaviertasten zu zaubern, die Begabung eines ausserordentlichen Musikers? Es lag viel persönliche Note und Reife im Spiel des 25-jährigen Henrik Järvi und mit seiner Zugabe, einem lyrischen Stück von Edvard Grieg, führte er die Anwesenden in seine nähere Heimat und in eine für Mozart und seine Zeitgenossen gleichermassen unbekannte musikalische Zukunft.
Matthias Kobel
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: das war ein unverschämt gutes Konzert. Unverschämt deshalb, und das ist der einzige kritische Gedanke zu diesem Konzertabend, weil man sich die Frage stellen muss: Darf man das? Darf man aus dem unglaublichen Schaffen des Wolfgang Amadeus Mozart einige Rosinen pflücken und sie in «best of» Manier dem Publikum mit Erfolgsgarantie servieren?
Ich denke, Mozart hätte über diese moralische Frage nur gelacht und die Antwort gab der Konzertabend selbst: Ja, wenn man das so macht wie das Langnauer Orchester und der Konzertchor Langnau unter der Leitung von Markus Zemp, dann darf man das und man begab sich auf eine spannende Suche nach dem wahren Mozart.
Heitere, geistliche Werke
So beginnt der Abend mit einem Duett für Flöte und Fagott, gefolgt von einem Frühwerk, dem Te Deum laudamus, wo Chor und Orchester ein erstes Mal mit hellen Klängen die Heiterkeit der geistlichen Werke aufleuchten lässt. Ebenso das bekannte Alleluja aus der Kantate Exultate jubilate, wo die Sopranistin Barbara Locher mit nuancierter Stimme die feinen Koloraturen singt. Das darauffolgende Laudate pueri aus einer Vesper begeistert dank transparenter Vielschichtigkeit und dem guten Tempo durch seine Steigerungen und seiner Dramatik.
Es scheint, als wäre für den jungen Mozart die Liturgie nichts weiter als eine von vielen Inspirationsquellen, gleichbedeutend wie das Libretto zu einer Oper, jedenfalls fehlt weder diesen frühen sakralen Werken noch der Gavotte und dem Chor «Placido e il mar» aus der Oper Idomeneo die theatralische Gestik. Und so denkt man den wahren Mozart erkannt zu haben: Man nehme die Gefühle der Menschen, füge den schmerzlichen die Harmonie und den heiteren die Reinheit bei und mache liebliche Musik daraus.
Stimmt nicht, die Antwort kommt umgehend, im Kyrie der C-Moll-Messe und im ersten Satz der «Jupiter»-Sinfonie. Diese letzte Messe ist geprägt von enormer Tiefe und dem Ausdruck für das übermenschliche Thema, die satten Töne der Bassregister kontrastieren mit der flüchtigen Sopranstimme. Hervorragend gespielt, ausgewogen im Klang, eine selbstlose, unmaskierte Schönheit durchzieht diese C-Moll-Klänge. In C-Dur, klar in Form und Aufbau, stürmt das Allegro vivace von Mozarts letzter Sinfonie daher. Das Langnauer Orchester meistert diese schwierige Partitur mit viel Entschlossenheit für die sinfonische Grösse, mit Spielfreude und Mut. Also, Mozart der grosse Kämpfer?
Theatralisch und ironisch
Das Mozart ein grosser Kämpfer ist stimmt auch nicht. Die Solo-Arie «Alma grande», diese Klage einer betrogenen Frau kommt theatralisch und mit leichter Ironie daher. Vielleicht, denkt man, ist sie selber schuld, diese Dame. Ganz anders Pamina in der Arie «Ach ich fühl’s». Von wenigen Auf- und Abstrichen und einigen Bläsertönen dezent begleitet, durchdringen uns die echten Gefühle dieser Frau. Barbara Locher beeindruckt in beiden Arien durch ihre Fülle von Ausdrucksformen und entlockt diesen bekannten Melodien mit unmittelbarer Präsenz neue Nuancen.
Vollends verwirrt auf der Suche nach dem wahren Mozart, kommt seine musikalische Antwort: Man nehme die, von der Volksmusik bekannte Klarinette, und entlocke ihr die unglaublichsten, überirdischen Töne. Hans Peter Mosimann gelingt dieses Wunder, wer an diesem Samstagabend in der Langnauer Kirche hat diese Töne nicht schon gekannt, und wen haben sie nicht auf ein Neues zutiefst berührt? Mozart, der Mystiker?
Ja vielleicht, denn sein Requiem ist definitiv ein Mysterium. Mit dem Introitus und dem Lacrimosa endet ein Konzertabend mit himmlischen Klängen.
Jürg Egger, Peter Kennel und Markus Zemp prägten den Konzertabend des Langnauer Orchester in der reformierten Kirche. Ein Abend mit himmlischem Schlusspunkt.
Jürg Egger spielte zu beginn das E-Dur Violinkonzert von Johann Sebastian Bach mit einer Präsenz und Intensität, die Staunen machte. Nicht der unbekannte Künstler von irgendwo, von dem wir Höchstleistungen erwarten, stand da vor uns, sondern ein uns bekannter Mensch mit vielen Talenten, und eben auch ein begabter Musiker. So bekam die Musik von Bach, der man nachsagt sie sei menschenfern, immer religiös geprägt und unnahbar, plötzlich ein Gesicht, eine menschliche Note. Der Konzertmeister Jürg Egger ist auch gerne Solist, das spürte man, denn seine Stimme hob sich ab, wirkte individuell und hätte höchstens in den Wiederholungen etwas mehr Improvisation vertragen.
Diese gelungene Individualität bei Bach liess Georg Philip Telemanns Suite in G-Dur zeitweise vermissen. Wohl erkannte man die unterschiedliche Formensprache der tänzerischen Sätze, und das Orchester harmonierte mit gutem Zusammenspiel. Doch in dieser Musik steckt auch Humor und Witz, und diese Note kam zuwenig zum Ausdruck. Das Cembalo hätte ruhig noch mehr improvisierte Verzierungen spielen dürfen oder das Basso continuo hätte zur Abwechslung gezupft werden können.
Mitten ins Herz
Der musikalische Weg von Peter Kennel führte auch durch Langnau. Mit sichtlicher Freude stand der ehemalige Dirigent des Langnauer Orchester nun als Countertenor bereit für eine Kantate von Antonio Vivaldi. Was dann folgte, war ein gesangliches Feuerwerk ohnegleichen. Die dramatischen Worte eines von der Liebe enttäuschten und dem Freitod nahen Menschen bekamen in der Stimme von Peter Kennel eine Kraft und Dynamik, die den Raum beherrschten. Die in jeder Stimmlage entwickelte Nuancierung, dieser schier unbegrenzte Umfang an Ausdrucksformen kehrte die Innenwelt dieser verzweifelten Seele unmittelbar nach aussen und projizierte sie ins angespannt betroffene Herz des Publikums. Markus Zemp führte das Orchester als ein Begleiter, der unterstrich, Akzente setzte und mit einer wiedergewonnen Leichtigkeit spielte, ganz im Sinne des Bellcanto.
Brücke in die Gegenwart
Eine gute Wahl war das Schlussstück von Edward Elgar. Zwar zwei Jahrhunderte später entstanden als die vorangehenden Werke, jedoch in seiner Schlichtheit und seinen formschlüssigen Klangbildern eigentlich zeitlos und so eine Art Brücke zwischen Barock und Gegenwart. Ein Weg zu sich selbst, den das Orchester mit einer ausserordentlichen Leistung einfach machte. Die gut besetzten Celli, unterstützt mit zwei Bässen, setzten das Fundament, auf welchem durch Markus Zemp feinfühlig geformt die anderen Stimmen aufsetzten und sich entwickelten. Im himmlischen Larghetto gab es Stellen, wo Bratschen und zweite Geige sich förmlich Geschichten erzählten.
Eine Geschichte war dieser Konzertabend, eine Geschichte wie von Dante erzählt, die von der Hölle des Liebesschmerzes bis ins Paradiesische Bachscher Formvollendung führte. Und das alles in Langnau.
In der viel zu kleinen Kirche in Langnau konnte sich das Publikum am Sonntag bestens erwärmen. Schon bevor die vierte Aufführung aus Joseph Haydns «Die Jahreszeiten» begann, hatten sich die Kirchenfenster mit Wassertropfen beschlagen.
Anspruchsvolle Aufgabe
Eine kühle Stimmung verbreiteten dann das Langnauer Orchester und der Konzertchor Langnau. Anders als im realen Winter lachte nicht die Sonne über den verschneiten Hügeln – in Haydns Winter umhüllte dicker Nebel die Welt und verwehrte den Blick in die Ferne. Dirigent Markus Zemp war gefordert, die Bilder dieser leblosen, düsteren Jahreszeit sorgfältig herauszuarbeiten, was auf überzeugende Weise gelang. Getragen von den wiederum sicher auftretenden Streichern entstand ein eindrückliches Zusammenspiel mit den beiden Solisten – Lukas Albrecht (Tenor) und Ulrich Simon Eggimann (Bass) – sowie der Solistin, Maria C. Schmid (Sopran). Dem mehr als 60-köpfigen Chor waren in diesem Konzert mehr Einsätze beschieden als in anderen Jahreszeiten. Die Sängerinnen und Sänger überzeugten nicht nur mit ihrem gewaltigen Volumen, sondern auch mit präziser Aussprache.
Die Sopranistin Maria C. Schmid sorgte mir ihrer kurzen Arie über den Winter schon zu Beginn für einen Höhepunkt der Aufführung: «Licht und Leben sind geschwächet, Wärm und Freude sind verschwunden. Unmutsvollen Tagen. Folget schwarzer Nächte lange Dauer», wird der nahende Schneesturm gezeichnet, der für Hühnerhaut sorgt. Mit der präzisen Begleitung des Orchesters gelang hier ein beeindruckendes Bild.
Zwei Jahre Arbeit
Den Text zu Joseph Haydns «Die Jahreszeiten» schrieb der adlige Gottfried van Swieten. Als Vorlage diente ihm das englische Werk «The Seasons» von James Thomson. Der kranke und greise Haydn mühte sich ganze zwei Jahre mit Swietens Libretto ab. 1801 fand endlich die Uraufführung im privaten Kreis am Hof statt. Beim zweiten Mal sang niemand geringeres als ihre Majestät, die Kaiserin Maria Theresia die Arien des Soprans.
Überraschend kurze Überleitung
Als Überleitung von Haydns Winter – in dem die Weihnacht keine grosse Rolle spielt – zum dritten Advent spielte das Orchester die Pifa aus Georg Friedrich Händels «Der Messias» nach einer Bearbeitung von Mozart. Die im Vergleich zum vorangehenden Werk heitere Musik erstaunte das Publikum auch durch ihre Kürze. Erst als Markus Zemp das Dirigentenpodest verliess, gab das Publikum den verdienten Applaus.
Als Abschluss des Konzerts ertönte ein Weihnachtsklassiker – «Vom Himmel hoch» von Felix Mendelssohn. Hier gelang es dem Chor vortrefflich, «die gute neue Mär» zu übermitteln. Während das Lied in vielen Stuben als nicht enden wollend und wiederholend bekannt ist, wurde im Konzert das himmlische Ereignis beeindruckend dargestellt. Dazu trugen auch Ulrich Simon Eggimann und Maria C. Schmid bei, welche die Arien sangen. Die Sopranistin liess es sich nicht nehmen, bei der letzten Strophe den Konzertchor mit sichtlicher Freude zu unterstützen.
Wochen-Zeitung, 23. Juni 2005
Der Konzertverein Langnau führte den Sommer aus Haydns «Jahreszeiten» auf. Die musikalische Version übertrumpfte dabei den realen Sommer an Dramatik bei weitem.
Bruno Zürcher
Gewöhnlich ist es in Kirchen recht kühl. Nicht so am vergangenen Samstag in Langnau. Zum einen zeigte das Thermometer noch gegen acht Uhr weit über 20 Grad an, zum andern vermochte die musikalische Darbietung zu erwärmen. Nach dem heissen Sommertag wurden die Zuhörer noch einmal – nun auf musikalische Weise – durch einen Sommertag geführt. Der Konzertverein Langnau führte aus Haydns «Die Jahreszeiten» den Sommer auf.
Die ersten fahlen Sonnestrahlen. Der Morgen bricht an.
«Des Tages Herold meldet sich;
Mit scharfem Laute rufet er
Zu neuer Tätigkeit
Den ausgeruhten Landmann auf.»
Haydn scheint vor allem die Natur ans Herz gewachsen zu sein. Daneben ist er dem Schöpfer zu tiefem Dank verpflichtet. Neben der wiederkehrenden Sonne lässt er die Flur erwachen, bis dass die Sense blitzt und das Korn sinkt. Die drei Bauernleute Hanne, Lukas und Simon (die drei Solisten) vermittelten die Bilder auf lustvolle Art und Weise.
Das 40-köpfige Orchester untermalte die Stimmungen passend. Besonders gelang ihm die sengende Mittagssonne und die dadurch entstehende Trägheit von Mensch und Tier darzustellen. Der aus 64 Sängerinnen und Sänger bestehende Chor trat in diesem Werk wenig in Erscheinung, vermochte aber durch seine Klangfülle zu überzeugen. Wenn auch in den besonders intensiven Stellen, die Akustik der Langnauer Kirche an ihre Grenze gelangte.
«Welke Blumen,
Dürre Wiesen, trockne Quellen:
Alles zeigt der Hitze Wut.»
Die Luft flimmert. Schwüle Hitze. So wie sich die Gewitterwolken auftürmen, türmten sich auch Solisten, Orchester und Chor zum einem musikalischen Getöse auf. Besonders das Orchester vermochte den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten bis der erste Blitz durch die Luft zischt, begleitet durch das Grollen des Donners.
Das Gewitter ist von kurzer Dauer. Die Wachtel ruft, die Grille zirpt, der Frosch quakt – die Natur erwacht wieder und wieder, bevor sie sich endgültig zur Ruhe legt.
«Die Abendglocke hat getönt;
Von oben blinkt der helle Stern
Und ladet uns zur sanften Ruh.»
Anders als in Haydns Sommertag ergoss sich am Samstag über Langnau kein Gewitter. Der Abend war heiss aber ruhig und hätte bei weitem keinen Stoff für ein derart dramatisches Werk hergegeben.
Matthias Kobel
Auf der Nordseite der reformierten Kirche lag noch haufenweise Schnee und dichte Flocken fielen vom Nachthimmel, da spielten das Langnauer Orchester und der Konzertchor Langnau den Frühling von Josef Haydn. Es war also weniger ein von Draussen nach Drinnen tragen, als viel mehr ein Herbeisehnen der frühlingshaften Gefühle und Stimmungen.
Mozarts zweitletzte Sinfonie in g-moll, mit welcher der Konzertabend in eben dieser schneeumhüllten Langnauer Kirche am letzten Samstag anfing, gab passender Weise noch winterliche Stimmungen von sich. Publikum und Orchester schien sich erst allmählich zu erwärmen. Mozarts Musik, so klar und transparent wie eine frische, sonnenbeschienene Schneefläche auf welcher sich auch die kleinste Mäusespur klar und deutlich abzeichnet, verzeiht keinen noch so kleinen akustischen Fehltritt. Auf diesem musikalischen Glatteis fand sich das unter Markus Zemp musizierende Orchester anfänglich nur schwer zurecht. Es schien, zumindest in den ersten beiden Sätzen, als fehle dem Orchester eine bildhafte Vorstellung dieser seltsam schmerzlich-leidenschaftlichen Musik. Das Spiel wirkte verhalten und zögernd und gerade der erste Satz hätte eine drängende Kraft gebraucht um zu begeistern. Dem zweiten Satz fehlte etwas das Tempo und das kammermusikalische Aufeinanderzuspielen, deshalb mangelte es an innerem Zusammenhalt. Beim vierten Satz jedoch kam dann kräftig Tauwetter auf und Streicher wie Bläser musizierten auf einmal befreit und lebendig.
Tausend Stimmen im Raum
Bot Mozart damit eine Seelenlandschaft, so entstanden vor des Zuhörers innerem Auge bereits bei den ersten Takten von Haydns Frühling Naturbilder und ländliche Szenerien. Das ganze um Hörner und Pauke verstärkte Orchester, nun deutlich mit klaren Vorstellungen spielend, vertrieb in der orchestralen Einleitung durch bildhafte Tonsprache den Winter «zum fernen Pole». Nicht heroisch biblische Gestalten stehen im Zentrum dieses Oratoriums, sondern naturverbundene Menschen mit einfacher, direkter Sprache. Ulrich Simon Eggimann in der Rolle des Pächters Simon, Lukas Albrecht als junger Bauer Lukas, ob diese Namenverwandtschaften wohl zufällig sind, und Barbara Locher als des Pächters Tochter Hanne sangen die drei Solostimmen wohl abgestimmt, schlicht und gerade deshalb so trefflich wohltuend. Mit dem Chor des Landvolks «Komm, holder Lenz» brach der Frühling in seiner ganzen, unaufhaltsamen Kraft hervor. Der Raum war erfüllt mit tausend Stimmen, vom erdigen Klang der Kontrabässe und Fagotte hinauf in «den linden Hauch» der Bratschen und Geigen, Flöten und Oboen. Und wenn auch die Hörner noch vor dem «starren Gifte» des Winters warnten, «er nahet sich der holde Lenz». Unzweifelhaft. Will heissen, das Orchester und der Chor verstanden es, einen transparenten Klang zu erzeugen, aus welchem sich jede Stimme und jedes Register deutlich heraushören liess. Ein Beweis, dass hier viel und intensiv am differenzierten Spiel und Gesang geprobt wurde.
Dynamisches Spiel
Beeindruckend die Arie des Simon «Schon eilet froh der Ackersmann», wo die tragende Stimme von Ulrich Simon Eggimann aus einer abgestimmten Begleitung von Streichern und Bläsern hervortrat. Da gab es Stellen wo Bratschen und Fagott, andere Stellen wo Geigen und Flöte, in perfektem Zusammenspiel die Gesangsstimme umrahmten.
Den Schnee zum Schmelzen gebracht
Der Übergang vom Adagio des Bittgesangs «Sei uns gnädig» in die schnellere Fuge mit Chor gelang vortrefflich. Das gab Dynamik und Schwung ins ganze Spiel, gerade recht für den nachfolgenden Teil, das Freudenlied «O wie lieblich ist der Anblick». Um dieser Tonsprache, so leicht und lebendig, so verspielt und unterhaltsam, dabei klar in der Struktur und im Aufbau gerecht zu werden, braucht es, nennen wir es «universellen Swing» und der kam sowohl von den Solisten, als auch vom, in allen Stimmen lebendig und deutlich singenden Chor, übertrug sich auf das Orchester und als schwingende Frühlingstriebe auch auf das Publikum. Und so schien es, als wären in der Zwischenzeit die Schneehaufen vor der Kirche schon ein bisschen kleiner geworden.
Der Konzertverein Langnau hat seit diesem Jahr einen neuen Leiter: Markus Zemp. Zuvor hatte Peter Kennel diese Aufgabe während zehn Jahren übernommen. Zum Verein gehören der Konzertchor Langnau mit 80 Musikern und das Langnauer Orchester mit 40 Instrumentalisten.
Wie beurteilen die Mitglieder ihren neuen Dirigenten und Chorleiter? «Ich habe einen positiven Eindruck», sagt Jürg Egger, der als Konzertmeister die erste Geige im Langnauer Orchester spielt, und fügt an: «Er ist ein ausgewiesener Fachmann und arbeitet gewissenhaft.» Zudem sei Zemp kein Unbekannter; bereits vor elf Jahren habe er dem Konzertverein ausgeholfen. Laut Jürg Egger setzt Markus Zemp eher auf Stücke von bekannten Komponisten, «was den Beteiligten sicher alles abverlangt, da die Zuhörer die Töne kennen und so jeden Fehler bemerken», erklärt der Konzertmeister.
Erstmals vor elf Jahren
Auch Markus Zemp blickt elf Jahre zurück, als er die Aufführung des «Weihnachtsoratoriums» von Johann Sebastian Bach geleitet hat - der Beginn einer Sympathie für den Konzertverein Langnau. «Ich hätte eigentlich bleiben wollen, war jedoch unter anderem noch in der Hofkirche Luzern verpflichtet.»
Ihn reize die Kombination von Chor- und Orchesterleitung und die grosse Zahl der daraus resultierenden Konzerte, fährt Zemp fort. «Ich will das Beste herausholen und weiter kontinuierliche Aufbauarbeit leisten, was natürlich einen starken Willen der Musizierenden voraussetzt.» Indirekt gibt er Jürg Egger Recht: «Ich wähle Literatur, die fordert und gefällt.»
Konzerte im Jahreslauf
Markus Zemp, der mehrere Jahre als Produzent und Redaktor bei Schweizer Radio DRS 2 gearbeitet hat, ist neben seiner Tätigkeit in Langnau hauptamtlich Professor an der Musikhochschule Luzern und leitet die Entlebucher Kantorei. Als nächste Ziele für den Konzertverein Langnau nennt er «Die Jahreszeiten» von Joseph Haydn - für jede Jahreszeit 2005 soll es ein Konzert geben.
Simon Zurbrügg
Kein Hinweis deutete von aussen auf diese Nacht der Nächte in der Langnauer Kupferschmiede, an deren Eingang lapidar «geschlossene Gesellschaft» geschrieben stand. Doch im Innern brannten Kerzen, es rankten Rosenbäume in die Höhe, und zarter Tüll verschleierte die nüchternen Wände. Engel posierten in Nischen, um Herzen und Sinne zu treffen. Und treffen liessen sich die Gäste am Freitag- und Samstagabend - vom Zauber der Musik im speziellen Ambiente, einem festlichem Menü und vom Tanzen.
Spiegelnder Parkettboden war ausgelegt worden, um das Gleiten und Drehen im Dreivierteltakt zu garantieren. Und kaum liess das Langnauer Orchester mit 40 Streichern und Bläsern unter der Leitung von Markus Zemp die ersten Walzertakte erklingen, leerten sich alle Tische, und die elegant gekleideten Paare drehten und wendeten sich auf der Tanzfläche.
Im Tanz der Erfahrenen fiel das junge Paar Caroline Schori (17) und Benjamin Rindlisbacher (21) auf, die sich erstmals zu Walzer und Polka bewegten. «Mein Götti hat uns eingeladen», sagte Caroline. «Und es fägt.» Caroline Schoris Götti, John Schmocker, der als Pfarrer in Grünenmatt amtiert, führte seine Partnerin ebenfalls gekonnt übers Parkett.
Passendes Essen zur Musik
Mit kritischen Blicken überwachten Christoph Rosseler vom «Hirschen»-Team sowie Franz Urs Schmid vom Organisationskomitee den Service zwischen den Musikblöcken. Denn das Servicepersonal arbeitet im Alltag nicht im Gastro-Bereich. Freiwillige aus dem Umfeld der Musikszene Langnau haben diesen Job übernommen.
Das Menü war eine Symbiose von Musik und Kulinarischem: Franz von Suppés Ouvertüre von «Dichter und Bauer» leitete zum Hors-d’oeuvre-Teller über. Nach dem ersten Tanzblock eröffnete der Strauss-Walzer «Wein, Weib und Gesang» den Hauptgang. Mit «Der schönen blauen Donau» wurde zum Dessert übergeleitet. Danach war die Tanzfläche wieder frei für Orchester und Tänzer.
Bis nach Mitternacht spielte das Sinfonieorchester Langnau zum Tanz auf. Und das Publikum genoss offensichtlich diese rare Möglichkeit, wie in jungen Jahren das Tanzbein zu schwingen. «Für unser Orchester ist es positiv, weitere Möglichkeiten seines Könnens in speziellem Umfeld einem anderen Publikum zu zeigen», sagte Dirigent Markus Zemp. Dass auch finanzielle Überlegungen zu dieser Ballnacht gehören, verhehlen weder Markus Zemp noch Rebekka Schmid, die Präsidentin des Langnauer Orchesters. «Solche Anlässe sollen einem zusätzlichen Publikum Gelegenheit geben, uns kennen zu lernen. Zugleich können wir unsere Kasse für weitere Aufgaben etwas auffüllen», sagte sie. Denn Bläser und Dirigent sind Profimusiker, beziehen Gagen und verhelfen dem Orchesterverein zu noch professionelleren Auftritten. - Und der Erfolg der Ballnächte gab sowohl den Musikern wie dem Organisationskomitee Recht.
Ursina Stoll-Flury